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Themenschwerpunkt «Auslagerung von Verantwortung für Menschenrechte»
Durch das KlimaSeniorinnen-Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom April 2024 hat das Thema Klimawandel und Menschenrechte in der Schweiz an Relevanz gewonnen. Wer trägt Verantwortung für die durch den Klimawandel verursachten Menschenrechtsverletzungen? Wie können Menschenrechte in der Schweiz und weltweit geschützt werden angesichts grenzüberschreitender Verursachung? Fragen wie diese stehen im Fokus des SMRI-Themenschwerpunktes «Externalisierung von Verantwortung für Menschenrechte».
Was meint die SMRI mit «Auslagerung von Verantwortung für Menschenrechte»?
In der Rechtsprechung, der Lehre und der politischen Praxis dominiert weiterhin ein traditionelles Menschenrechtsverständnis, das Menschenrechte als territorial begrenzt, staatszentriert und gegenwartsbezogen begreift. Zwar sind Menschenrechte weiterhin stark auf Staaten als Adressaten ausgerichtet. Doch die Weiterentwicklung der Menschenrechte nimmt längst auch private Akteure wie Unternehmen in die Verantwortung und legt sowohl für Staaten als auch für private Akteure eine menschenrechtliche Verantwortung fest, die über territoriale Grenzen hinwegreicht. Auch die Rechte kommender Generationen werden zunehmend konkretisiert.
Die effektive Durchsetzung dieser weiterreichenden Normen wird jedoch häufig aufgrund des wirkmächtigen traditionellen Menschenrechtsverständnisses verhindert. Somit können Staaten und private Akteure ihre Verantwortung für Menschenrechte externalisieren bzw. auslagern. Das heisst, sie nehmen sie nicht wahr oder delegieren sie an andere Akteure.
Ein Thema für die SMRI
Die Externalisierung von Verantwortung für Menschenrechte stellt eine strukturelle Herausforderung für den Schutz der Menschenrechte dar und berührt verschiedene aktuelle Debatten in der Schweiz. Dazu gehören Themen wie menschenrechtliche Sorgfaltspflichten für Unternehmen, die menschenrechtliche Verantwortung im Kontext des Klimawandels oder die Auslagerung von Asylverfahren. Aufgrund der Aktualität des Themas legt die SMRI in ihrem Externalisierungsschwerpunkt bis 2027 einen Fokus auf das Thema Klima und Menschenrechte. Auch UNO-Menschenrechtsgremien haben mehrfach die Rolle von Nationalen Menschenrechtsinstitutionen (NMRI) im Hinblick auf den Klimawandel betont.
Folgen von Externalisierung
Diese Verlagerung menschenrechtlicher Verantwortung erschwert oder verunmöglicht es Rechteinhabenden, effektiv gegen Rechtsverletzungen vorzugehen. Ein Beispiel sind die Rechte von Arbeitnehmer*innen in transnationalen Wertschöpfungsketten sowie die Verantwortung für die Rechte kommender Generationen, die externalisiert wird, wenn Klimaschutzmassnahmen unter den menschenrechtlich gebotenen Anforderungen zurückbleiben.
Internalisierung und Zuschreibung von Verantwortung
Verschiedene Prozesse wirken Externalisierung entgegen und können als «Internalisierung» im Sinne einer Zuschreibung von Verantwortung bezeichnet werden. Dazu gehören (völker-)rechtliche Entwicklungen, die das traditionelle Menschenrechtsverständnis in Teilen überwinden. Ein Beispiel sind die Maastrichter Prinzipien zu den extraterritorialen Staatenpflichten im Bereich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte von 2011, die menschenrechtliche Verpflichtungen von Staaten auch ausserhalb ihrer Territorien adressieren.
Auch Rechteinhabende und Menschenrechtsverteidiger*innen wirken Externalisierung beispielsweise durch Klimaklagen entgegen. Gerichte wenden menschenrechtliche Normen auf neue Sachverhalte an und wirken mit Gutachten oder Rechtsprechung im Sinne einer Internalisierung von Verantwortung.
In dem Themenschwerpunkt widmet sich die SMRI dem Spannungsverhältnis von Externalisierung und Internalisierung und zeigt Möglichkeiten auf, den Schutz der Menschenrechte in grenzüberschreitenden Kontexten zu stärken.